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Rezensionen

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978-3-8440-7122-1
Matthias Pietsch, Sascha Fritzsch, Florian Etterer, Catrin Schmidt (Hrsg.)
Produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahmen
Landschafts- und Umweltplanung
Rezension
Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt, Jg. 57/2020, S.97-101, 15.05.2023

Der vorliegende Band der Reihe "Berichte aus der Landschafts- und Umweltplanung" des Shaker Verlags präsentiert die Ergebnisse der Fachtagung der Hochschule Anhalt zum Thema "Produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahmen" (PIK) am 28.03.2019.
Vor dem Hintergrund der konkurrierenden Flächennutzung und der naturschutzrechtlichen Erforderlichkeit der Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft gewinnen PIK mehr und mehr an Bedeutung. Zusätzlich sind Genehmigungsbehörden vor der Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlichen Flächen verpflichtet, anderweitige Möglichkeiten der Kompensation von Eingriffen zu prüfen und damit die Nutzung solcher Flächen zu minimieren.

In den ersten beiden Beiträgen befassen sich die Autoren mit den naturschutzfachlichen und -rechtlichen Grundlagen produktionsintegrierter Kompensationsmaßnahmen. Im Weiteren werden verschiedene Praxis beispiele vorgestellt. Der dritte Teil ist insbesondere den Einsatzmöglichkeiten von Unmanned Aerial Vehicles (UAV), Smart Farming sowie Fernerkundungsdaten im Management von PIK gewidmet. Zum Abschluss werden die zwei folgenden Diskussionsforen inhaltlich zusammengefasst.
MATTHIAS HERBERT (Bundesamt für Naturschutz) definiert die naturschutzfachlichen Anforderungen an Bewirtschaftungs- und Pflegemaßnahmen zur Kompensation vor dem Hintergrund der rechtlichen Regelung im 2009 novellierten BNatSchG. Der Entwurf der darauffolgenden Bundeskompensationsverordnung beinhaltet eine Aufzählung geeigneter Maßnahmen und Mindestanforderungen und stellt damit eine belastbare Handreichung bei der Suche nach geeigneten, wirksamen und anerkennungsfähigen PIK dar. PIK müssen fachwissenschaftlich abgrenzbar zur guten fachlichen Praxis der Landwirtschaft sein und zu einer tatsächlichen und dauerhaften Aufwertung des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes führen. Kompensations- und Qualitätsziele sowie messbare und damit anrechenbare Zusatzleistungen sind möglichst genau festzulegen und festzuschreiben. Für diese Anforderungen liegen zahlreiche gute Leitlinien zur Ableitung und Bilanzierung vor. Flächen- und Maßnahmepools kommen für PIK durchaus in Frage. Synergien mit der Entwicklung der Kulturlandschaft sind möglich und können zu einer Etablierung langfristiger Kooperation zwischen Landwirtschaft und Naturschutz beitragen.
MARCUS LAU (Rechtsanwälte Füßer und Kollegen, Leipzig) erörtert die rechtlichen Anforderungen an PIK. Um eine deutliche Unterscheidung zur guten fachlichen Praxis der Landwirtschaft zu erreichen, hält er eine Anpassung der einschlägigen rechtsverbindlichen Bilanzierungsverfahren und eine damit einhergehende Formulierung funktionaler, räumlich und zeitlich eindeutiger Kriterien für die Bemessung von PIK für notwendig. Als Herausforderung bewertet LAU die rechtliche Sicherung der Maßnahmen, die sich in der Regel auf maximal 2S Jahre oder die Dauer des Eingriffs beläuft. Die mangelnde Bereitschaft seitens der Landwirtschaft, eine längerfristige oder dauerhafte Bindung einzugehen, stellt zusätzliche Anforderungen an das Management. Nur dadurch ist endlich eine gewisse Flexibilität und damit Akzeptanz zu erreichen. Als Vorteil erweist sich hier, dass die Maßnahmeflächen weiterhin in einer Bewirtschaftung verbleiben können. LAU betrachtet auch die Wechselwirkungen mit anderen Naturschutzmaßnahmen und beurteilt die Möglichkeit der Einbindung von PIK in naturschutzräumliche Gesamtkonzepte als sehr gut, zumal zahlreiche Lebensraumtypen nur durch eine dauerhafte Bewirtschaftung erhalten werden können.

In den folgenden Beiträgen werden Ergebnisse aus praktischen Umsetzungen von PIK vorgestellt.
FLORIAN ETTERER (Technische Universität Dresden) & SASCHA FRITZ (Hochschule Anhalt) berichten von den Erfahrungen aus dem Projekt stadtPARTHEland, einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Vorhaben im Osten von Leipzig. Als schwierig stufen auch sie die Bilanzierung der Maßnahmen ein und beklagen, dass entsprechende Vorgaben nur in Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen existieren. Ihre Untersuchungen zeigen, dass bestimmte Arten durchaus in hohem Maße von PIK profitieren können, wenn Mindestanforderungen an die Einbindung in die Landschaft erfüllt sind. Aus der praktischen Erfahrung resultierend werden wertbestimmende Faktoren und Eignungskriterien für PIK-Maßnahmen benannt und Bewertungen vorgenommen. In ihrem Fazit stellen sie dar, dass es wesentliche Gründe gibt, die trotz des erforderlichen Aufwandes für eine verstärkte Anwendung sprechen.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch CATHARINA DRUCKENBROD (Thüringer Landgesellschaft mbH), die über Erfahrungen innerhalb der Umsetzung des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Projektes "Eingriffsregelung und landwirtschaftliche Bodennutzung - Aufwertung durch Nutzung - Modellvorhaben zur innovativen Anwendung der Eingriffsregelung" der Thüringer Landgesellschaft berichtet. Für Thüringen wurden allgemeine Leitlinien in Abstimmung mit dem Thüringer Umweltministerium entwickelt, ein Kontrollbogen wurde erstellt. Die Vorteile, die sich aus dem Maßnahmemanagement durch einen sachverständigen Dritten von Beginn an ergeben und durch den Zugriff auf eigene Flächen noch wesentlich gestärkt werden, sind offensichtlich. Zusätzlich führen sie zu einer höheren Akzeptanz beteiligter Akteure. Eine erstellte Checkliste kann es zudem den Verwaltungsbehörden erleichtern, die erfolgreiche Umsetzung von PIK zu sichern.
HAUKE SCHRADER (WGF Landschaft GmbH, Nürnberg) stellt Ergebnisse und Erfahrungen im Rahmen eines Bauleitplanungsverfahrens in Niederbayern vor, die sich in wesentlichen Punkten mit denen aus den vorangestellten Projekten decken.

In weiteren Beiträgen werden sowohl Einsatzmöglichkeiten von UAV-Systemen (unmanned aerial vehicles) für die digitale Luftbildauswertung und somit Unterstützung des notwendigen Monitorings bei der Umsetzung von PIK (BENJAMIN BURGES, JOHANNES SEIDL-SCHULZ & PATRICK MACHOWSKlj geo-konzept GmbH Adelschlag) als auch das sogenannte Smart Farming als modernes landwirtschaftliches Managementkonzept auf Basis digitaler Techniken zur Überwachung und Opti mieru ng la ndwi rtschaftlicher Prod u ktionsprozesse (MICHAEL ACHTZEHN, Hochschule Anhalt) vorgestellt.
Auch MATTHIAS PIETSCH, SASCHA FRITZSCH & MATTHIAS HENNING (Hochschule Anhalt) widmen sich mit ihrem Beitrag "Einsatzmöglichkeiten von Fernerkundungsdaten im Monitoring und Management von Naturschutzmaßnahmen auf Landwirtschaftsflächen" dieser Thematik. Die Einsatzmöglichkeiten können künftig insbesondere das Management und Monitoring von PIK unterstützen und damit wesentlicher Bestandteil der Erfolgskontrollen werden.

Auf die Vortragsveranstaltung folgten zwei Diskussionsforen: Diskussionsforum I (MICHAEL MAKALA, Hochschule Anhalt) – Möglichkeiten und Grenzen der praktischen Handhabbarkeit von PIK
INES POZIMSKI stellt die Herangehensweise für die Landgesellschaft Sachsen-Anhalt und KATRIN HEUCKE für die Landesstraßenbaubehörde Sachsen-Anhalts anhand eines Praxisbeispieles vor. BERNHARD WAGNER (Wassergut Canitz GmbH) berichtet aus der Sicht eines Landbewirtschafters im Ökolandbau über seine Erfahrungen. Die Schlussfolgerungen sind das Ergebnis von Erfahrungen aus mehreren Projekten und somit von besonderer Bedeutung für die Anwendung von PIK, sowohl für Verwaltungsbehörden, Landwirte als auch Eingriffsverursacher.
Diskussionsforum II (MATTHIAS HENNING & MATTHIAS PIETSCH) – Smart Farming für die Biodiversität - Möglichkeiten und Grenzen digitaler Technologien im naturschutzfachlichen Monitoring und Management
Die Vorträge in diesem Forum beschäftigten sich mit den Einsatzmöglichkeiten von Fernerkundungsdaten (PIETSCH), Fliegenden Augen (BURGES) sowie NatApp - aktive Unterstützung von Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen (HOLGER PFEFFER, ZALF Leibnitz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung). Eine sinnvolle Nutzung ersterer für Naturschutzmaßnahmen ergibt sich lediglich bei Anwendungen, bei denen ein Kartierer die Untersuchungsobjekte nicht erreichen kann, z. B. bei der Beurteilung von Bruterfolgen sehr störungsanfälliger Vogelarten. Die Anwendung "NatApp" ermöglicht eine rechtssichere, verordnungskonforme Dokumentation und Kontrolle von Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen und unterstützt bei der Planung und korrekten Durchführung der zuvor vereinbarten Flächenbewirtschaftung sowie bei der Dokumentation.

Aus Sicht der Rezensentin und Sachgebietsleiterin einer unteren Naturschutzbehörde in Sachsen-Anhalt geben insbesondere die Ergebnisse bei der praktischen Umsetzung von PIK den aktuellen Kenntnisstand wieder, der durch viele Beispiele untersetzt wird. Dabei entsprechen die diskutieren Mängel den Erfahrungen aus eigenen Projekten. In Sachsen-Anhalt fehlen sowohl die Anpassung des Bewertungsmodells zur Bilanzierung von Eingriffen als auch abgestimmte landesweit gültige Leitlinien für die Anwendung von PIK. Die Planung, Umsetzung und das Management durch einen sachverständigen Dritten, der idealerweise über geeignete Flächen verfügt, sind aus Sicht einer unteren Naturschutzbehörde alternativlos. PIK lassen sich besonders dann sehr gut in naturräumliche Gesamtkonzepte integrieren, was die Beiträge der vorliegenden Veröffentlichung zweifelsfrei belegen. Unter den genannten Voraussetzungen sind PIK als ein innovatives und geeignetes Instrument der Eingriffsregelung zu beurteilen. Sie unterstützen den Dialog zwischen den Akteuren vor Ort und steigern die Akzeptanz von Naturschutzmaßnahmen. Moderne Fernerkundungssysteme können, wie anschaulich dargestellt, das Management der Maßnahmen unterstützen.

Die Beiträge des vorliegenden Bandes ermöglichen einen guten Einstieg in die Thematik und geben einen guten Überblick zur Anwendung "Produktionsintegrierter Kompensationsmaßnahmen".
Die Lektüre des Tagungsbandes ist allen Interessierten am Handlungsfeld Landwirtschaft und Naturschutz sowie an den Themenbereichen Flächennutzung und Eingriffskompensation zu empfehlen. Naturschutzbehörden und Landwirtschaftsbehörden, insbesondere Genehmigungsbehörden, werden wertvolle Informationen an die Hand gegeben, die deren Entscheidungsprozesse unterstützen können.

KATRIN WINDEL

Katrin Windel
Landkreis Börde
Natur- und Umweltamt
Sachgebiet Naturschutz und Forsten
Bornsche Str. 2 39340 Haldensleben
E-Mail: katrin.windel@landkreis-boerde.de

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