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Rezensionen

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978-3-8322-8835-8
Barbara Fuchs
Psychische Traumatisierung als sonderpädagogische Kategorie?
Erkundungen zu Genese, Diagnostik und Förderung
Pädagogik
Rezension
Beziehungs - Weise Wissenschaftler, 09.06.2016

Barbara Fuchs hat in ihrer Dissertation bereits 2008 - also vor der Ratifizierung der UN Konvention durch die BRD - ein bemerkenswertes Schlüsselwerk zu den Kindern und Jugendliche mit Förderbedarf vorgelegt.

Ich habe das Buch mit unzähligen Post-it versehen vor mir liegen und weiß grade nicht einmal, womit ich die Rezension beginnen soll. Vielleicht mit meinem Fazit:

Wer Zugänge zu sehr schwer erreichbaren Kindern und Jugendlichen sucht, wem klar ist, dass pädagogische Interventionen und sozialpädagogische Strategien bei manchen "Problemschülern" nicht greifen und der dennoch die Kinder nicht "aufgeben" mag, dem sei mit dem Buch eine Lösungskiste auf den Schreibtisch gestellt. Doch Vorsicht - Lösung bedeutet nicht Rezept. Lösung bedeutet, dass Barbara Fuchs auf existentielle und essenzielle Dinge aufmerksam macht.

Das Verhalten der Förderschüler - so Fuchs - zeigt Symptome der tiefen seelischen Verletzungen, von denen viele in den ersten Lebensjahren entstehen und deren Coping die Schüler alle Kraft kostet. Auf Kosten der Lern- und Leistungsfähigkeit, auf Kosten der emotionale Sicherheit schaffen sie das Überleben. Ohne eine sichere Bindung bleibt es ein fragiler Zustand, der neben therapeutischer Begleitung auch adäquate pädagogische Zuwendung braucht.

Die Verantwortung für die Beziehungsqualität liegt bei den Erwachsenen. Die Schüler brauchen Unterstützung die Wunden zu heilen.

Ich schreibe bewusst Wunden, denn die Verletzungen durch Vernachlässigung durch Eltern, die es selbst nicht anders kannten, die Misshandlungen in den Familien, die strukturell in den Beziehungen verwoben sind, der Missbrauch, den viele Kinder als Normalität erleben und der mit Schuld und Scham besetzt ist, hinterlässt physische und psychische Verletzungen, die in dem Buch mit Alltagsbeispielen aufgezeigt werden. Durch die eigene Praxis als Sonderschullehrerin gelingt es Barbara Fuchs die Fälle eindringlich zu beschreiben, ohne dabei die Grenzen der Kinder und Familien zu überschreiten - ein Aspekt, der mich beim Lesen sehr beeindruckt hat. Die Fallbesprechungen sind sehr fokussiert und zugleich voller Empathie.

Was gleichfalls sehr bemerkenswert ist - Barbara Fuchs weist auf unsere eigene Verwundbarkeit im Umgang mit diesen Kindern hin, ein Faktor den mE viele Erwachsene negieren.

"Die Bereitschaft, mich mit der eigenen Verletzung durch den verstörten, traumatisierten Blick des anderen auszusetzen, ist der Preis, der für die Möglichkeit emphatischer Nähe in der reflektierenden Distanz zu zahlen ist. Sie ist das Eingangstor zum Prozess der Rehistorisierung ...." (Jantzen 2000/2001, S. 52 - zitiert in Fuchs 2009, S. 76).

Das Spannungsfeld zwischen fachlich fundiertem Wissen zu psychischen Störungen sowie deren diagnostischen Grundlagen und der pädagogischen Perspektive, die nicht therapiert, sondern begleitet, bleibt auch nach der Lektüre herausfordernd.

Jedoch bietet das Buch eine ermutigende Perspektive auf die Notwendigkeit, die Möglichkeit und die Chance der interdisziplinären Zusammenarbeit, wie sie heute im Zuge der Inklusion in der Praxis gelebt werden will.

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