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Rezensionen

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978-3-8322-5830-6
Katja Meintel
Im Auge des Gesetzes
Kriminalromane aus dem frankophonen Afrika südlich der Sahara – Gattungskonventionen und Gewaltlegitimation
Literaturwissenschaft
Rezension
Klostermann Verlag, Romanische Forschungen, 2010, 01.07.2010

Der zeitgenössische Roman des frankopho-nen Afrika südlich der Sahara zeichnet sich durch eine Nähe zu populärkulturellen For-men aus. Dabei handelt es sich nicht nur um das gehäufte Zitieren populärkultureller und global zirkulierender Formen wie Hip-Hop-Songs, Comic-Helden oder Filmtiteln in (hoch-)literarischen Texten. Auch populär-kulturelle Genres afrikanischer Provenienz wie der Comic, der Film oder der im Zen-trum von Im Auge des Gesetzes stehende Kri-minalroman erleben seit den 1990er Jahren eine verstärkte Rezeption innerhalb und außerhalb des afrikanischen Kontinents und avancieren zu wichtigen Referenzen des intellektuellen Lebens im subsahari-schen Afrika. Die Autorin Katja Meintel, die sich vor allem durch ihre Übersetzung des jüngsten Romans von Abdourahman A. Waberi, Aux Etats- Unis dAfrique (In den Vereinigten Staaten von Afrika), profilieren konnte, untersucht in ihrer Dissertation, auf welche Weise sich afrikanische Autoren die europäische Gattung des Kriminalromans aneignen und welche spezifische Rolle Ge-walt im Kontext der afrikanischen Kriminal-literatur spielt. In einer Einleitung diskutiert sie die-sen Prozess der Aneignung und sieht in der Afrikanisierung des europäischen Genres einen postkolonialen Charakter. Das Verdienst der Studie von Katja Meintel ist es, die afrikanische Aneignung nicht nur als bloßes writing back gegen Formen der ehe-maligen Kolonialmacht zu verstehen, son-dern jene Besonderheiten des afrikanischen Kontextes zu betonen, die den afrikanischen Kriminalroman zu einem genuin eigenen Genre avancieren lassen: Der postkoloni-ale Oppositionscharakter der afrikanischen Aneignung tritt hinter interafrikanischen Themen zurück. So ist der klassische euro-päische Kriminalroman von einem Glauben an Moral und Gesetze geprägt und steht des-halb oft in einem Gegensatz zu afrikanischen Realitäten, man denke nur an chaotische Staatsorganisationen in Diktaturen. Diese Besonderheiten afrikanischer Realität wer-den kreativ in die Gattung des Kriminalro-mans integriert, um somit eine afrikanische Form der Gattung zu schaffen, die sich the-matisch und strukturell von europäischen Vorbildern unterscheidet und löst Katja Meintel ist bewusst, dass eine Wissenschaft, die sich aus westlicher Per-spektive Afrika annähert, problematisch ist und ein Hinterfragen der eigenen Position verlangt, schließlich ist die wissenschaftliche Lektüre des Anderen, so Meintel, auch eine Aneignung des Fremden. Den Vorwurf des Eurozentrismus umgeht die Autorin da-durch, dass sie nach ihrer theoretischen Betrachtung des europäischen Kriminal-romans mit seiner Vielfalt an Untergenres den afrikanischen Krimi in seiner ganzen Fülle betrachtet. Den vier Einzelanalysen des Hauptteils stellt Meintel ein Inventar von afrikanischen Kriminalromanen in französi-scher Sprache voran und setzt einen großen Akzent auf in Afrika selbst verlegte Texte. Diese beeindruckende Materialsammlung von vergessenen oder nicht wahrgenomme-nen Texten, die europäische Bibliotheken und Leser selten erreichen, zeigt mit ihrem Fokus auf afrikanische Produktionen, dass die Autorin trotz ihrer westlichen Herkunft (sie schreibt von ihren »okzidentalen, eu-ropäischen, deutschen und schwarzwälderischen Horizonten«, n), den Gegenstand ernst nimmt. Als Hauptkorpus für ihre Einzelanalysen dienen der Autorin vier Kriminalromane, die zwischen 1984 und 2000 veröffentlicht wurden, in denen das »Motiv der gewalt-samen Selbsthilfe« (9) in einer Welt the-matisiert wird, in der staatliche Ordnungs-instanzen nicht funktionieren. Unter den Autoren des Textkorpus finden sich eher unbekannte Autoren wie Modibo S. Keita (Mali/Senegal), Moussa Konate (Mali) oder Achille Ngoye (Kongo), aber auch Mongo Beti (Kamerun), ein weit über die Grenzen Afrikas hinaus klassisch gewordener franko-phoner Autor. Die Tatsache, dass ein enga-gierter Autor wie Mongo Beti, Sprachrohr seiner Generation und einer der wichtigs-ten Intellektuellen des Kontinents, sich dem Genre des Kriminalromans widmet, mag ein Beleg für die Wichtigkeit der Populär-kultur sein. Nachdem die Autorin jeden Text ihres Korpus kurz resümiert (Modibo).

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