Natascha Grammou Ermittlung von geometrischen Formbeiwerten für Flachdächer mit aufgeständerten Photovoltaikanlagen anhand eines physikalischen Analogiemodells ISBN: 978-3-8440-3608-4 Preis: 48,80 € / 61,00 SFR |
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Rezension |
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Die Autorin hat mit ihrer Arbeit eine Dissertation an der TU Darmstadt abgeschlossen. Sie leistete analytische, statistische und experimentelle Beiträge zum Stand des Wissens. Der experimentell untersuchte Datenbereich wurde sinnvollerweise auf das gemäßigte, milde Schneeklima beschränkt. Die Schneelastzonen 1, 1a und 2 bis zu Geländehöhen von ca. 540 m ü. NN. umfassen immerhin knapp 80% der Gesamtfläche Deutschlands. Modellbildung, Anforderungen an die Versuchstechnik und Auswertungsverfahren, in der Arbeit ausführlich dargelegt, sind jedoch allgemein gültig. Die Untersuchungen sind auch deshalb originell, weil schneephysikalische Forschungen bisher auf das kontinentale oder alpine Klima konzentriert sind, z.B. im Rahmen der Lawinenforschung oder Hydrologie. Nach dem Studium von Verwehungsmechanismen, meteorologischen und schneephysikalischen Grundlagen und der statistischen Auswertung verfügbarer Messdaten (DWD-Tageswerte) zu Schneefallereignissen wird die Entscheidung für eine Simulation mit Sandpartikeln in der Wasserrinne getroffen. Mit dieser Versuchstechnik wird in Deutschland ebenfalls Neuland beschritten. Die einzuhaltenden physikalischen Ähnlichkeitsgesetze zwischen Natur und Modell und die nötigen Kompromisse für kleinteilige Verwehungsversuche sind nachvollziehbar beschrieben. Daraus ergibt sich ein Vorteil gegenüber Versuchen mit Kunstschnee im Klimawindkanal, die seinerzeit die vieldiskutierten Schneelastverteilungen nach Eurocode 1, Teil 1-3 mit begründeten. Experimentiert wurde in einer 40 m langen, 2 m breiten und 1,5 m hohen Versuchsrinne mit geeigneten Messeinrichtungen des Instituts für Wasserbau und Wasserwirtschaft der TU Darmstadt. Das quaderförmige Gebäudemodell im Maßstab 1:50 mit aufgeständerten Standard-PV-Modulen in größtmöglichem Abstand, Sandpartikelgemisch und turbulente Wasserströmung mit Grenzschicht wurden so dimensioniert und kalibriert, dass qualitativ und quantitativ naturähnliche Ablagerungsbilder entstehen konnten. Variiert wurden neben der Modulneigung (15° und 30°) die Anströmrichtung (im Vergleich zu ideal südausgerichteten Modulen: Süd, Nord, Ost / West und Anströmung über Eck) und die Strömungsgeschwindigkeit mit / ohne Berieselung. Zeit-Konzentrations-Untersuchungen dienten zur Festlegung der Versuchsdauer. Orientierung gab die Höhe der Ablagerung im Referenzbereich vor dem Modell. Das Modell entspricht in der Natur Gebäudeabmessungen von B x L x H = 20 m x 20 m x 10 m, ausgestattet mit 1 m breiten PV-Modulen, die 50 cm (bei 30° Neigung) bzw. 25 cm (bei 15° Neigung) über das Flachdach hinausragen. Wie in der Praxis üblich, sind die Modulreihen unter Freilassung der Ränder in 2 m bzw. 3 m Abstand angebracht. Die in den Versuchen erreichten Sandablagerungen waren teils niedriger, teils höher als die Module. Nicht nur für aufgeständerte Photovoltaikanlagen von Bedeutung ist das Ergebnis, dass sich in keinem der Versuche nach dem Verwehungsprozess eine größere Sandmenge auf dem Dach befindet als im verwehungsfreien Fall. Mit zunehmender Strömungsgeschwindigkeit sinkt die Gesamtmenge sogar, gleichzeitig werden örtlich Spitzenwerte erreicht. Mit den Versuchen wird nachgewiesen, dass auch Schnee vorzugsweise nach unten oder um Hindernisse herum weht, statt über sie hinweg. Dazu sind größere Windgeschwindigkeiten erforderlich. Ob Schnee durch Saltation über Hindernisse springen kann, hängt auch von den Höhenverhältnissen ab. Die Modulspitzen werden bereits bei niedrigen Windgeschwindigkeiten freigeweht, bei höheren Windgeschwindigkeiten sind die PV-Module schnell schneefrei. Nur bei Süd-Anströmung nach Süden ausgerichteter Module schiebt sich Schnee unter aufgeständerte Module und lässt sich schwer wieder entfernen (Schneefang). Diese Situation ist aber nicht bemessungsrelevant. Wegen größerer Störungen des Windfelds wird die Nord-Anströmung maßgebend, bei der sich auch quer zur Strömung Sand zur Mitte hin schiebt. Die Seitenränder werden freigeräumt. Der größte gemessene Formbeiwert in der Mitte beträgt 1,57. Dann ist jedoch nur noch das innere Dachdrittel mit Sand bedeckt. Ob sich diese Verhältnisse auch bei nicht quadratischen Grundrissen oder deutlich flacheren, großflächigen Bauformen einstellen, kann im Rahmen dieser Untersuchungen noch nicht beurteilt werden. Allerdings wurden zur Klärung besonderer Fragestellungen auch höhere Sand-Konzentrationen und Strömungsgeschwindigkeiten untersucht, die Rückschlüsse auf höhere Schneelasten in Schneelastzone 2a und 3 erlauben würden. Durch eine kleinere zeitliche Auflösung (Stundenwerte) und Verwendung zusammengehöriger meteorologischer Daten könnten in zukünftigen Untersuchungen die Verwehungsbedingungen noch genauer eingegrenzt werden. Die quantitative Auswertung der Messergebnisse für die verschiedenen Anströmrichtungen wird zunächst klassifiziert und danach Schritt für Schritt in praxistaugliche Formbeiwerte überführt. Neben dem verwehungsfreien Lastfall sind in Abhängigkeit vom Verhältnis von Referenzschneehöhe zu Modulhöhe ein oder zwei weitere Verwehungslastfälle zu untersuchen. Durch die Bereitstellung dieser Lastverteilungsmodelle für die Anwendung in der Praxis erhält die Arbeit eine weit über die Forschung hinausgehende Bedeutung. Die Ergebnisse, Zusammenhänge und die beschriebene Methodik könnten auch dazu beitragen, den mehr oder weniger spekulativen Diskussionen über Schneeverwehungen auf Dächern endlich eine wissenschaftliche Grundlage zu geben. |
Im Vergleich zu Windlasten sind die Schneelasten in Deutschland noch wenig wissenschaftlich beleuchtet worden. Das betrifft insbesondere die ungleichmäßigen Schneelastverteilungen unter Verwehungsbedingungen auf unterschiedlichen Dachformen. Für aufgeständerte Photovoltaikanlagen auf Flachdächern gibt es noch gar keine systematischen wissenschaftlichen Untersuchungen, Schneelastansätze sind nicht genormt. Deshalb kommt dieser Veröffentlichung große Bedeutung zu.
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Quelle: Dr.-Ing. Ina Pertermann, Ingenieurbüro Puthli | |
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